Sacharbeit, Riesenbegeisterung + Kleinmut zugleich

Bericht über den Bundesparteitag in Düsseldorf

(von Dr. Michaela Blunk, Lübeck)

Natürlich waren nicht nur die Medienvertreter in gespannter Erwartung auf den Kampf der Gladiatoren angereist. Dennoch sollen die Anträge (91) am Anfang stehen, die nach intensiver Sacharbeit im wesentlichen von der Basis fristgerecht eingereicht und an die Delegierten zur Vorbereitung verschickt worden waren.

Drei davon stammten aus dem Freiburger Kreis. Auf unserer fachlichen Einführungsveranstaltung im September 2000 mit den Herren PD Dr. Küpker (Lübeck), Dr. Jonitz und Dr. Schendel (beide Berlin) hatten wir eine "Gentechnik-AG" unter der Verantwortung der Autorin eingesetzt. Erst danach begann auch die Bundestagsfraktion mit ihrer Meinungsbildung, die aber ohne jede Außenwirkung blieb. Deshalb sollte die Gentechnik-AG unseres Kreises Anträge für den Bundesparteitag im Mai 2001 erarbeiten.

Die wissenschaftliche Kompliziertheit und die ethische Vielschichtigkeit ließen den Mut zur Festlegung auf eine überzeugende Position nur langsam wachsen. Nach intensiver Unterstützung durch externe Experten entstanden schließlich die beiden Anträge zur Umsetzung der Bioethik-Richtlinie der EU in deutsches Recht und zur Arbeit in Deutschland mit Stammzellen verschiedener Art. Der dritte Antrag zur Präimplantationsdiagnostik (PID) stammte aus der Feder der Autorin.

Unsere drei Anträge wurden termingerecht eingereicht und verschickt. Ohne unsere Vorarbeit hätte der Bundesvorstand die Delegierten auch bei diesem umwälzenden Thema einfach überrollt. Sein Antrag zur Gentechnik (Nr.92) wurde - zwar satzungsgemäß – den Delegierten als Tischvorlage zugemutet. Offensichtlich verdankte er seine Entstehung der treibenden Kraft des Freiburger Kreises. Welche Blamage, wenn die "überfallenen" und unvorbereiteten Delegierten sich geweigert hätten, das Thema überhaupt zu behandeln, nachdem der Noch-Vorsitzende Gerhardt eindringlich zu einer Entscheidung hier und jetzt gemahnt und die Deutsche Forschungsgemeinschaft ihren Standpunkt zur Embryonenforschung just am Vorabend überraschend in unserem Sinne geändert hatte.

Natürlich wurde der BV-Antrag zum Leitantrag. Frau Leutheusser-Schnarrenberger (Nr.38,39) und die Autorin (Nr. 37 bzw. 92/2) haben unsere Änderungsanträge begründet. Wer die originären Anträge 37-39 und 92 mit dem Beschluss vergleicht, stellt leicht fest, dass unsere Texte und Positionen weitgehend von den Vertretern des Bundesvorstandes (z.T. schon in Vorgesprächen) übernommen oder von den Delegierten mehrheitlich angenommen worden sind. Dank der Arbeit des Freiburger Kreises hat die FDP einen Parteitagsbeschluss zur Gentechnik und kann als einzige Partei in der öffentlichen Diskussion, die jetzt (endlich!) auch in Deutschland begonnen hat, eine fundierte Position vertreten. Allerdings müssen wir offensiv darauf verweisen, dass wir uns nicht leichtfertiger, sondern sehr viel früher mit dem Thema befasst haben als andere Parteien und Institutionen.

Im Anschluss an die Gentechnik wurde der Antrag Nr. 25 "Strategie 18%" des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen aufgerufen. In einer mitreißenden Rede legte Jürgen Möllemann noch einmal die Logik seiner Strategie dar. Er bestätigte auch noch einmal in seiner unnachahmlich hintergründigen Art, dass er die Position des Kanzlerkandidaten zwar gern selbst ausfüllen würde, dass aber der Parteivorsitzende selbstverständlich das erste Zugriffsrecht haben müsse, wenn er es denn wolle. Am Ende zollten die Delegierten minutenlangen, begeisterten Beifall.

Lange im Vorfeld war darüber spekuliert worden, wie sich der neue Parteivorsitzende in dieser Frage verhalten würde. Erst sehr spät legte er seinen Änderungsantrag vor, den Begriff "Kanzlerkandidat" durch "Spitzenkandidat" zu ersetzen. Auch er erhielt am Ende seiner Begründung sehr starken, aber nicht so begeisterten Beifall wie Jürgen Möllemann. Bei der geheimen Abstimmung gab es dann aber doch ein deutliches Ergebnis zugunsten des neuen Parteivorsitzenden!

Dennoch ist es Jürgen Möllemann zuzuschreiben, dass die Partei sich seit Monaten nach außen und innen in einem lange nicht mehr erlebten Stimmungshoch befindet.

Dass nun auch der neue Parteivorsitzende den ganzheitlichen Liberalismus und die Unabhängigkeit gegenüber anderen Parteien betont, kann niemanden mehr erfreuen als die Mitglieder des Freiburger Kreises. Wir wurden über viele Jahre geradezu als Störenfriede empfunden und behandelt. Wir können m.E. aber nicht ohne Vorbehalt sein. Nicht der korrekte Änderungsantrag des Parteivorsitzenden, auch nicht das demokratisch zustande gekommene Ergebnis gegen den eigenen Kanzlerkandidaten stimmen mich bedenklich. Es ist der aggressive Vortrag des Vorsitzenden, der in einem bedrückenden Gegensatz zu dem Jürgen Möllemanns stand, obwohl beide für bzw. wider dieselbe Sache gefochten hatten. Schade, dass Guido Westerwelle nicht die Einsicht hatte, dass die "Strategie 18" ohne den Kanzlerkandidaten keine stringente Strategie mehr ist. Schade, dass ihm der Mut fehlte, sich die "Krone" aufzusetzen. Da er vorher in seinem Landesverband nicht gegen die "(Gesamt)Strategie 18" gefochten hatte, bleiben auch hier Fragen offen.

Zum Schluss noch ein paar Worte zu den Wahlen des neuen Bundesvorstandes, soweit sie den Freiburger Kreis direkt betreffen: Für Sabine Leutheusser-Schnarrenberger persönlich und den Freiburger Kreis war die Wiederwahl als Beisitzerin zum Präsidium ein wichtiger und erfreulicher Erfolg. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die mit fast doppelter Stimmenzahl (397:201) abgewehrte Gegenkandidatur aus dem Rheinischen Kreis, der sich als Gegenpol zum Freiburger Kreis sieht. Auf der sog. "freien Liste" wurden mit Dr. Burkhard Hirsch und Alexander Pokorny zwei weitere "bekennende Freiburger" im ersten Wahlgang als Beisitzer in den Bundesvorstand gewählt. Unser Glückwunsch, unsere Erwartungen und unser Vertrauen gelten den drei Gewählten gleichermaßen!

Die zukünftigen Entscheidungen des Vorstandes werden zeigen, ob die Positionen des Freiburger Kreises tatsächlich an Boden gewinnen konnten. Unbestritten sind die Delegierten selten so positiv gestimmt nach Hause gefahren. Die nächsten Wahlen müssen beweisen, dass wir die gute Stimmung in entsprechende Ergebnisse umwandeln können.
 

05. Juni 2001